Zum Beispiel die Glasbergs (2011)
Geschichts- und Ausstellungsprojekt des Stadtmuseums gibt jüdischen Schicksalen in Döbeln ein Gesicht
Eine ganze besondere Ausstellung wird am 26. Januar im Döbelner Stadtmuseum eröffnet. Am Vorabend des Holocaust-Gedenktages, der an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz erinnert, bekommt das Schicksal zweier jüdischer Familien, die in Döbeln lebten, jetzt auch ein Gesicht.
Dafür sorgt der 17-jährige Sebastian Höhme. Der Zwölftklässler des Lessing-Gymnasiums Döbeln erforschte mehrere Monate akribisch das Schicksal der jüdischen Familien Glasberg und Gutherz, die in der Döbelner Theaterstraße lebten. Bereits der Kurs jüdische Geschichte, den sein Vater am Gymnasium leitete, widmete sich, dem Schicksal jüdischer Familien in Döbeln. Sebastian konnte nun neue, regionalgeschichtlich bedeutsame Erkenntnisse gewinnen. Ausgangspunkt war dabei das Fotoalbum der Familie Glasberg. Eine Döbelnerin hatte es vor den Nazis versteckt und der einzigen Überlebenden der Familie Glasberg nach dem Krieg übergeben. Ruth Glasberg mochte die Opferrolle nicht und stellte das Fotoalbum erst nach ihrem Tod im Jahr 2008 für die Forschung des Lessing-Gymnasiums zur Verfügung. Die Tochter ließ es der Schule zukommen und Sebastian konnte damit weitere Erkenntnisse und vor allem Bilder zusammentragen und die Geschichte der beiden jüdischen Familien ziemlich genau dokumentieren. Dazu war der junge Mann unter anderem nach Berlin gefahren, wohin die Familien geflüchtet waren, nach dem sie in Döbeln vertrieben wurden. Später wurden sie deportiert. Er forschte im Landesarchiv in Potsdam und fand dort sogar Sterbeurkunden von Familienmitgliedern aus dem Konzentrationslager.
All das macht das Schicksal der beiden Familien sehr anschaulich. Nun wurde gemeinsam mit Kathrin Fuchs vom Stadtmuseum ein gemeinsames Projekt von Museum und Gymnasium daraus, das vom Kulturraum Mittelsachsen-Erzgebirge finanziert wird. Auf 25 Tafeln mit acht Themenkomplexen wird das Schicksal der Familien Glasberg und Gutherz in einer Ausstellung gezeigt. Besonders Schulklassen sollen diese sehen und im Rahmen eines Geschichtsprojektes am Döbelner Stadtmuseum damit arbeiten. "Ich finde es wichtig, dass besonders junge Menschen die Ausstellung sehen. Gerade, nachdem am 6. November 2010 Rechtsextreme in Döbeln aufmarschieren wollten, zeigt mir, dass diese jüngere Geschichte noch gar nicht genug aufgearbeitet ist", so Sebastian Höhme. Seine Arbeit samt der Dokumentation und der Ausstellung übergab er dem Museum und dem Stadtarchiv. Gleichzeitig wurde sie als sogenannte Bell (Besondere Lernleistung) am Gymnasium abgegeben, wird auch von externen Fachleuten bewertet und geht als Nachweis der Studierfähigkeit und wissenschaftlichen Arbeit in die Prüfungsnote im Fach Geschichte ein. Er darf dafür eine mündliche Prüfung auslassen.
Feierlich eröffnet wird die Ausstellung am 26. Januar, 17 Uhr, in der Kleinen Galerie des Stadtmuseums Döbeln.
Döbelner Allgemeine Zeitung
12.01.2011
Thomas Sparrer
Auf den Spuren von Familienschicksalen
Museumsleiterin Kathrin Fuchs ist begeistert, wenn sie über die kommende Ausstellung in der Kleinen Galerie spricht. „Jetzt lernen wir von einem Schüler, was wir später anderen Schülern beibringen“, sagt sie. Es geht um die Arbeit von Sebastian Höhme. Der Schüler des Lessing-Gymnasiums hat für die neue Ausstellung „Zum Beispiel die Glasbergs...“ monatelang über das Leben zweier jüdischer Familien recherchiert, die während des Nationalsozialismus in Döbeln lebten. Ab dem 26. Januar ist die Schau zu sehen. Auf 25 Tafeln schildert Sebastian Höhme in Text und Bild Stationen des Familienlebens, während in der Gesellschaft der Rassismus wuchs. Der 17-Jährige sprach dafür mit der Tochter der einzigen Überlebenden der Familie.
Die Glasbergs kamen in den 1920er Jahren von Gallizien nach Döbeln. Der Vater, Samuel, betrieb einen Rohprodukthandel. Er kaufte von Döbelner Fabriken Schrott, Altpapier und verwertete sie weiter. Mutter Sali kümmerte sich um die drei Kinder Ruth, Max und Karl. Die Glasbergs waren wohlhabend, sie gehörten zum Mittelstand von Döbeln. Als die Eltern früh starben, kamen die Kinder in die Obhut der Familie David Gutherz, dem Bruder der verstorbenen Mutter Glasberg. Doch Mitte der 1930er Jahre wurden die Anfeindungen im Alltag zu groß, sodass die Kinder der Glasbergs und die Familie Gutherz nach Berlin umziehen mussten. „In Berlin lebten sie anfangs anonym. Das änderte sich 1936 mit den neuen Sammellagern in der Stadt. Damals wurde die Familie auseinandergerissen“, sagt der 17-Jährige. Den Holocaust überlebte nur die Tochter Ruth.
In Döbeln und Berlin besuchte Höhme für seine fast hundert Seiten dicke Arbeit Orte, an denen die Familie lebte. Anstrengend fand er die Recherche im Landeshauptarchiv in Potsdam. „Dort habe ich mir in vielen Ordnern die Informationen zusammengesucht“, so Höhme. In Potsdam fand er Dokumente über Pässe der Familie, Anmeldungen bei Behörden und die Enteignung durch die Nazis. Anhand von Bildern aus dem Familienalbum, das ihm Ruth Glasbergs Tochter Monica auslieh, konnte Höhme das Leben der Familien Glasberg und Gutherz anschaulich darstellen.
Seine Geschichtslehrerin Heike Geißler bescheinigt ihm eine sehr gute Arbeit. „Sebastian hat sehr akribisch Material ausgewertet. Diese Arbeit ist einzigartig und bedeutsam für den Erkenntnisgewinn für unsere Schule und Stadt“, sagt Heike Geißler. Der Zwölftklässler beschäftigt sich bereits seit Jahren an seiner Schule mit dem Projekt „Jüdische Geschichte“.
Auf der Internetseite zum Projekt „Jüdische Geschichte und Kultur“ stellen Schüler des Lessing-Gymnasiums ihre Forschungsergebnisse zum Judentum, zur jüdischen Geschichte und zum jüdischen Leben in der Stadt dar.
www.judentum-projekt.de
Döbelner Anzeiger
12.01.2011
Klemens Deider
Einzigartige Ausstellung dient auch dem Schulunterricht
Der Gymnasiast Sebastian Höhme hat die Geschichte der Familie Glasberg in Döbeln akribisch erforscht.
Es ist die erste Ausstellung des Jahres in der Kleinen Galerie und wahrscheinlich schon der Höhepunkt. Es geht nicht um Kunst, sondern um die tragische Geschichte der jüdischen Familie Glasberg. Der 17-Jährige Gymnasiast Sebastian Höhme hat sich auf die Spuren der Glasbergs begeben, zu ihrem Leben recherchiert und zu ihrem Sterben. Die meisten Angehörigen der Familie haben die Zeit des Nationalsozialismus nicht überlebt. Seit gestern ist die Arbeit im Rathaus zu sehen. Bei der Eröffnung drängten sich weit über 100 Leute im Ausstellungsraum. „So viele Besucher hatten wir noch nie", sagte Kathrin Fuchs vom Stadtmuseum.
In der Ausstellung ein altes Foto aus dem Familienalbum: Ruth Glasberg steht im Döbelner Bürgergarten. Aufgenommen wurde es 1939. Die Schülerin ist damals 13 oder 14 Jahre alt und wird kurze Zeit später nach Schweden ausreisen und so fast als einzige ihrer Familie überleben. Ruth Glasberg ist vor zwei Jahren gestorben. Ihre Tochter Moni-ca, die als Ärztin in England lebt, hatte Material aus ihrem Nachlass dem Döbelner Zwölftklässler zur Verfügung gestellt.
„Das ist nicht nur eine sehr gelungene Ausstellung, sondern eine Erweiterung unseres museumspädagogischen Angebots", sagte Kathrin Fuchs. In der Geschichtswerkstatt des Museums sollen Schüler etwas über das Schicksal der Juden in Döbeln lernen. Sebastian Höhme kennt sich mittlerweile bestens aus. Für ihn ist die Recherchearbeit nicht nur eine „Besondere Lernleistung", die beim Abi gewürdigt wird. „Ich halte die Veröffentlichung der Ergebnisse für sehr wichtig. Die Nazi-Demo im November hat gezeigt, dass man mit der Aufarbeitung der Geschichte noch nicht abschließen darf."
Von den Familien Glasberg und Gutherz, die nach dem Ersten Weltkrieg aus Galizien nach Deutschland kamen, hatte neben Ruth Glasberg nur noch Maria Glasberg in Berlin überlebt. Dass sie nicht auch wie ihre Verwandten umkam, ist kein Zufall. Nach dem Ende des Krieges erzählte die Apothekerin ihrer Nichte Ruth die Geschichte. Sie hatte den rauschgiftsüchtigen Hermann Göring, Stellvertreter von Adolf Hitler, mit Morphium versorgt. Der „bedankte" sich auf seine Weise bei der Lieferantin: Statt ins Todeslager Auschwitz wurde sie ins Lager Theresienstadt deportiert.
Döbelner Anzeiger
27.01.2011
Jens Hoyer
Ausgezeichnete Arbeit
Sächsischer Heimatforscherpreis geht an einen Döbelner
Sebastian Höhme hat gestern Nachmittag in Dresden einen von vier Schülerpreisen des Sächsischen Landespreises für Heimatforschung erhalten. Mit der mit 500 Euro dotieren Auszeichnung wurde die Arbeit des Döbelners über das Schicksal der jüdischen Familien Glasberg und Gutherz belohnt. Die Recherchen waren zunächst für eine sogenannte Besondere Lernleistung in der Schule gedacht.
Höhme war seinerzeit Schüler am Döbelner Lessing-Gymnasium. Daraus wurde später eine Ausstellung entwickelt, die im Stadtmuseum zu sehen war und demnächst im Treibhaus gezeigt wird. Außerdem liegt die Arbeit als Broschüre "Döbelner Geschichte(n) entdecken" vor. Im Juni dieses Jahres wurde Sebastian Höhme mit seiner Forschungsarbeit zudem Landessieger beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten.
Höhme studiert inzwischen Informatik an der Universität Leipzig.
Zum vierten Mal hat das sächsische Kultusministerium den Landespreis für Heimatforschung vergeben. Das Preisgeld von 7500 Euro wurde auf sieben Einzelpreise aufgeteilt. Außerdem wurden vier weitere Arbeiten mit einer Ehrenurkunde ausgezeichnet.
Döbelner Allgemeine Zeitung
Sandra Czabania
29.10.2011