Georg Hermann
Georg Hermann, eigentlich Georg Hermann Borchardt, war einer der meistgelesenen und produktivsten Autoren seiner Zeit.
Besonders machte er sich als Chronist des deutsch-jüdischen Lebens einen Namen. Als literarisches Vorbild diente Hermann der bekannte deutsche Schriftsteller Theodor Fontane. Wegen seines Stils und seiner Themen bezeichnete man ihn daher auch als den „jüdischen Fontane“. Georg Herrmanns Werke hinterließen einen bleibenden Eindruck auf die Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. Er zeigte eine kritische Haltung zu den politischen Entwicklungen in der Weimarer Republik und prangerte immer wieder die gesellschaftlichen und politischen Missstände an.
Lebenslauf
- geboren am 7. Oktober 1871 in Berlin
- Kindheit und Jugend überschattet von finanziellen Problemen seiner Eltern
- Hermann besuchte das Askanische, später das Friedrich-Werdersche Gymnasium in Berlin
- Militärjahr in München (wegen Lungenentzündung vorzeitig entlassen)
- Kaufmannslehre und dann Gehilfe in einem Krawattengeschäft
- 1896 bis 1899 Besuch von literarischen, kunstgeschichtlichen und philosophischen Vorlesungen an der Universität Berlin
- 1914 Umzug nach Neckargemünd
- 1931 Rückkehr nach Berlin, bis 1933 wohnhaft in der Künstlerkolonie Friedenau
- 1933 Flucht ins niederländische Exil
- 1943 Deportation nach Auschwitz-Birkenau
- gestorben am 19.11.1943 im KZ Auschwitz-Birkenau
Zur Familie
Georg Hermann war das jüngste von sechs Kindern einer alteingesessenen jüdischen Händlerfamilie aus Berlin. Aufgewachsen im Westen Berlins, im Viertel zwischen Landwehrkanal und Tiergarten, prägte ihn der städtische Lebensstil der preußischen Metropole. Sein Vater, Hermann Borchardt (1830–1890), war ein angesehener Kaufmann. Seine Mutter, Bertha Levin (1835–1910), kümmerte sich um den Haushalt und die Kinder.
Dass sich der Autor den Namen „Hermann“, den Namen seines Vaters, wählte, war der Versuch, seine Hochachtung dem verstorbenen Vater gegenüber, zum Ausdruck zu bringen.
Hermann hatte zwei ältere Brüder, Ludwig, der als Ägyptologe bekannt wurde, und Heinrich, der eine Karriere als Architekt machte. Beide Brüder verstarben jedoch früh: Ludwig im Jahr 1938 und Heinrich bereits 1935. Diese Verluste prägten Hermann, der in seinem Leben stets auf der Suche nach Stabilität und Anerkennung war.
1901 heiratete er Martha, die Tochter des Kaufmanns Robert Heynemann. Aus dieser Ehe gingen vier Töchter hervor. Martha lebte von 1875 bis 1955. Ihre Beziehung zu Hermann war die erste von zwei Ehen. Hermann zog mit seiner Familie nach Neckargemünd, nahe Heidelberg. Er war berlinmüde geworden und suchte in der süddeutschen Idylle ein neues Leben. Doch trotz der landschaftlichen Schönheit gefiel es ihm im Süden nicht, und das Streben nach innerer Erfüllung blieb unerfüllt. Seine Ehe zerbrach schließlich.
Später heiratete Hermann eine 25 Jahre jüngere Frau, Lotte Samter, welche bereits 1926 im Alter von nur 30 Jahren verstarb. Trotz der Rückschläge im persönlichen Leben kehrte Hermann 1931 nach Berlin zurück und lebte bis 1933 in der Künstlerkolonie Friedenau.
Als die Nazis an die Macht kamen, hatte Hermann die Gelegenheit, mit seiner Familie nach Palästina auszuwandern, was seiner jüngsten Tochter und seinem Enkel schließlich auch gelang. Doch als er selbst die erhoffte Ausreisegenehmigung erhielt, war es bereits zu spät.
Zum Werk
Georg Hermann absolvierte zunächst eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete beim Statistischen Amt in Berlin, bevor er sich verstärkt dem Schreiben widmete. In den Jahren 1896 bis 1899 besuchte er literarische, kunstgeschichtliche und philosophische Vorlesungen an der Universität Berlin. Daraufhin wurde er zu einem vielbeschäftigten Autor, der für rund vierzig Zeitungen und Zeitschriften, vor allem für den Ullstein-Verlag, tätig war. 1909 war er Mitbegründer und von 1910 bis 1913 der erste Vorsitzende des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller, einer Organisation, die sich für die Rechte und Interessen von Autoren einsetzte.
Berühmtheit erlangte er aber vor allem durch seine Berliner Familien- und Gesellschaftsromane, „Jettchen Gebert“ (1906) und „Henriette Jacoby“ (1908). Diese Romane spielen im Berlin der Jahre 1839/40 und zeichnen ein prägnantes Bild des liberalen Geistes dieser Zeit, insbesondere innerhalb einer jüdischen Familie.
In „Jettchen Gebert“ zeigt Hermann den assimilierten „Westjuden“ Georg, der mit einem kritischen Blick auf die „Ostjuden“ schaut. Er stellt sie als kulturlose, nur an Geschäften interessierte Einwanderer dar. Diese Darstellung wirft einen Schatten auf die Spannungen und Vorurteile innerhalb der jüdischen Gemeinschaft und spiegelt die sozialen Hierarchien der Zeit wider. Trotz dieser problematischen Darstellung wurde Hermann für seine präzise und differenzierte Darstellung des jüdischen Lebens allgemein geschätzt.
Gedenkstein Georg Hermann, Stubenrauchstraße 6, Berlin-Friedenau, Deutschland OTFW, Berlin, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Seine Werke standen jedoch zunehmend unter politischen Druck. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden Hermann und viele andere Schriftsteller aus der literarischen Öffentlichkeit verdrängt. 1933 wurden seine Bücher auf die „Schwarze Liste“ gesetzt und bei den Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten dem Feuer übergeben. Dieser Akt symbolisierte den Versuch der Nationalsozialisten, „undeutsche“ Literatur aus dem öffentlichen Raum zu verbannen.
Nachdem er 1933 Deutschland verließ, floh Hermann ins niederländische Exil, wo er unter schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebte. Trotz der Umstände setze er sein literarisches Schaffen fort. In dieser Zeit entstand unter anderem sein Roman „Eine Zeit stirbt“.
Auch nach dem Tod blieb das literarische Erbe Georg Hermanns erhalten, wenn auch auf unterschiedliche Weise. In der Bundesrepublik Deutschland erschienen nur vereinzelte Ausgaben seiner Werke. Er geriet in Vergessenheit. In der DDR jedoch galt Hermann als aufrechter Demokrat und Humanist, und seine Werke wurden in hoher Auflage verbreitet, wobei insbesondere seine kritische Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus geschätzt wurde. Dem Autor wurde aus Respekt für sein literarisches Schaffen der Georg-Hermann-Garten in Berlin Friedenau gewidmet. Dort befand sich sein früherer Wohnort, den er 1925 als idyllisches Gartenviertel und Eldorado der Tonzwerge beschrieb.
Das Leitmotiv seines gesamten literarischen Schaffens war die Bewahrung der Erinnerung an Menschen und Dinge. In einer Zeit des Umbruchs und der politischen Repression verstand Hermann es, sowohl die positiven als auch die dunklen Seiten der Gesellschaft zu thematisieren. Seine Werke sind nicht nur ein literarisches, sondern auch ein kulturelles Zeugnis seiner Epoche.
Flucht, Exil und Ermordung
Georg Hermann war einer der wenigen Intellektuellen seiner Zeit, die sich 1914 nicht von der allgemeinen Kriegsbegeisterung des Ersten Weltkriegs anstecken ließen. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen zeigte Hermann eine kritische Haltung gegenüber den politischen Entwicklungen und dem aufkommenden Nationalismus. Diese kritische Haltung setzte sich auch in den folgenden Jahren der Weimarer Republik fort, die er immer wieder scharf kritisierte.
Schon vor dem Ersten Weltkrieg war Hermann Ziel der Angriffe von völkisch-antisemitischen Kräften, wie dem Literaturhistoriker Adolf Bartels, welcher Hermann aufgrund seines jüdischen Glaubens öffentlich diffamierte und bedrohte. Diese Anfeindungen sollten sich in den kommenden Jahren weiter intensivieren. Als ein Schriftsteller, der sich selbst dem linken Flügel der Gesellschaft zurechnete, war Hermann den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. In den 1930er Jahren standen seine Werke auf der „Schwarzen Liste“ und wurden 1933 bei den Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten den Flammen übergeben.
Ständig von den an die Macht gekommenen Nationalsozialisten bedroht, entschloss sich Hermann nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933, Deutschland zu verlassen und in die Niederlande zu flüchten. Als die deutschen Truppen Anfang 1943 die Niederlande besetzten, wurde er gezwungen von Hilversum nach Amsterdam zu ziehen. Von dort wurde er schließlich zusammen mit seiner Tochter Ursula und deren Sohn Michael ins Durchgangslager Westerbork deportiert. Am 16. November 1943, ohne seine Tochter und seinen Enkel, wurde er von Westerbork aus weiter ins Konzentrationslager Auschwitz geschickt.
Der Transport mit 995 Juden erreichte Auschwitz-Birkenau am 17. November 1943. Nach der Selektion an der „Alten Rampe“, bei der viele Gefangene direkt in die Gaskammern geschickt wurden, wurden 531 Menschen, darunter der 72-jährige Georg Hermann, sofort ermordet. So endete das Leben eines bedeutenden Schriftstellers seiner Zeit, dessen Werke und dessen Widerstand gegen den Nationalsozialismus auch über seinen Tod hinaus Bedeutung behalten.
gestaltet von Elina O. im Schuljahr 2024/2025