Josel von Rosheim
Josel von Rosheim, eigentlich Josselmann oder Yoselmann (in Anlehnung an Joseph) Ben Gerschon Loans (ca.1478-1554), war eine bedeutende jüdische Persönlichkeit im Heiligen Römischen Reich und gilt als der bedeutendste jüdische Fürsprecher seiner Zeit. Er wurde im elsässischen Rosheim geboren und war ein angesehener Kaufmann, Händler und Rabbiner. Josel von Rosheim wirkte als Sprecher und Verhandlungsführer für die jüdischen Gemeinden des Reichs, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter starken religiösen, wirtschaftlichen und sozialen Spannungen lebten. Durch sein Verhandlungsgeschick gewann er großes Ansehen und bekam die Berufung zum „Parnass“ (Vorsteher oder Sprecher) der jüdischen Gemeinde, welche ihm erlaubte, durch diplomatische Verhandlungen und Kontakte zu hochrangigen politischen Führern die Rechte und das Überleben jüdischer Gemeinden zu sichern.
Josel beginnt seine politische Tätigkeit als Fürsprecher der jüdischen Gemeinden. Er befürwortete den Schutz der Juden, insbesondere vor Ausweisungen und antijüdischer Gewalt. Er versuchte wiederholt, Sonderrechte und Steuerentlastungen für sie zu gewinnen. So gelang es ihm 1507, die Vertreibung der jüdischen Einwohner durch Verhandlungen mit dem Kaiser zu verhindern.
In Gesprächen mit Kaiser Karl IV. erreichte er in einem sogenannten „Freibrief“ (1544) Sicherheiten und Schutz für die jüdischen Gemeinden.
Josel von Rosheim, eigentlich Josselmann oder Yose
Josel von Rosheim wurde um 1478 in Hagenau geboren. Die Vergangenheit seiner Familie war von Vertreibung, Flucht und Gewalterfahrungen geprägt und spiegelt die Unsicherheit des Lebens der Jüdinnen und Juden in diesen Jahren deutlich wider. Im 15. Jahrhundert wurde die Familie Josel von Rosheims aus Endingen nach Baden vertrieben. Dort wurden drei Brüder seines Vaters hingerichtet, weil sie angeblich „Ritualmord“ begangen hätten. Seit dem 12. Jahrhundert wurden wiederholt antijüdische Übergriffe und Morde durch konstruierte Vorwürfe des Ritualmords begründet, wonach Juden christliche Kinder töteten würden, um ihr Blut für rituelle Zwecke zu nutzen.
Später ließ sich Josel von Rosheims Vater in Obernai im Elsass nieder, musste aber erneut fliehen und zog schließlich nach Hagenau. Er starb schon im Jahre 1484 und sein Sohn Josel wuchs in der Familie seiner Mutter auf.
Ein zentrales Ereignis in Josels von Rosheims Leben war der Reichstag zu Augsburg 1530. Dort sah er sich den Angriffen des Konvertiten Antonius Margaritha gegenüber, der Juden als Feinde des Christentums darstellte. Dank seiner Überzeugungskraft und seinem diplomatischen Geschick gelang es ihm jedoch, viele der Anklagen abzuwehren und die Position der jüdischen Gemeinden zu sichern.
Parallel zum Reichstag zu Augsburg hielt die sog. Reichsjudenschaft in Augsburg eine Synode unter Vorsitz von Josel von Rosheim ab. Es kamen Rabbiner und Vorsteher aus jüdischen Gemeinden aus allen Teilen des Reiches zusammen. Dabei wurde ein Gesetzentwurf aus zehn Artikeln (hebräisch Takkanot) über Handel und Wandel der Juden mit Christen erarbeitet. Das Takkanot enthielt zum Beispiel strenge Regeln für den Kredithandel, um Juden gegen den Vorwurf des Wucherhandels zu schützen.
Auch an anderen Reichstagen nahm Josel von Rosheim teil und setzte sich unermüdlich für die jüdischen Gemeinden ein. Der bereits erwähnte „Freibrief“, ein Schutzdokument, welches Josel 1544 von Kaiser Karl IV. erwirkte, gab den jüdischen Gemeinden weitgehende Rechte und bewahrte sie in den folgenden Jahren vor zahlreichen Verfolgungen und Ausweisungen. Bis zu seinem Tod 1554 in Rosheim widmete sich Josel dem Schutz jüdischer Gemeinden und setzte sich für friedliche Koexistenz und gegenseitigen Respekt ein.
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Einordnung in die Zeit
Josel von Rosheims Leben und Wirken fallen in die Zeit der Reformation, die durch Martin Luther 1517 in Gang gesetzt wurde und das religiöse und gesellschaftliche Gefüge im Heiligen Römischen Reich nachhaltig veränderte. Luther und andere Reformatoren kritisierten die katholische Kirche und versuchten, das Christentum zu erneuern. Dies führte nicht nur zu einer Spaltung der Kirche, sondern auch zu einem Umbruch in den religiösen und politischen Strukturen des Reichs. Für jüdische Gemeinden bedeutete die Reformation jedoch keine Verbesserung ihrer Situation.
Im Gegenteil: Die neuen religiösen Strömungen führten zu einer erneuten Verschärfung des Antijudaismus. In dieser Atmosphäre wurde die jüdische Minderheit oft als „Glaubensfeind“ gesehen, und es kam vermehrt zu Verleumdungen und Gewalttaten. Josel von Rosheim war in dieser Situation der zentrale Vermittler, der sich bemühte, durch Verhandlungen mit den führenden Herrschern eine Basis für das friedliche Zusammenleben von Christen und Juden zu schaffen. Seine Schutzpolitik und seine Verbindungen zum Kaiserhof trugen maßgeblich dazu bei, die jüdischen Gemeinden im Reich vor Vertreibung und Verfolgung zu schützen.
Josel von Rosheim und Martin Luther
Josel von Rosheims Verhältnis zu Martin Luther war zwiespältig und geprägt von den wachsenden Spannungen zwischen Christen und Juden im Zuge der Reformation.
Während Luther anfangs den Juden gegenüber eine gewisse Toleranz zeigte, schlug sein Tonfall später in vehemente Feindseligkeit um. In seiner Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ (1543) forderte Luther die Vertreibung der Juden, das Niederbrennen ihrer Synagogen und die Zerstörung ihrer Schriften. Dieser Text entfachte eine Welle des Antijudaismus und stärkte die bestehenden Vorurteile in der Bevölkerung.
Für Josel von Rosheim bedeutete dies eine große Herausforderung. Er sah sich gezwungen, die jüdischen Gemeinden zu verteidigen und versuchte bei Kaiser Karl V. Schutzmaßnahmen gegen die antijüdischen Äußerungen Luthers zu erreichen. Josel argumentierte, dass die jüdischen Gemeinden wirtschaftlich zum Wohlstand des Reiches beitrugen und ein Anrecht auf friedliche Koexistenz hätten. Zwar gelang es ihm, einige der Forderungen Luthers abzuwehren, jedoch blieb der Einfluss Luthers auf die antijüdische Stimmung in Deutschland spürbar.
Josels diplomatische Bemühungen und seine Verhandlungen mit dem Kaiserhof hatten zumindest regional Erfolg, da er das kaiserliche Schutzprivileg für die Juden 1544 erneuern konnte, was eine gewisse Rechtssicherheit für jüdische Gemeinden brachte. Doch Luthers Schriften hinterließen bleibende Spuren in der christlichen Bevölkerung, führten in späteren Jahrhunderten wiederholt zu Verfolgungen. Josel von Rosheim steht somit als Symbol für die Verteidigung jüdischer Rechte und das Bemühen um friedliches Zusammenleben, während Luther zum Sprachrohr antijüdischer Ressentiments wurde, die nachhaltig die Beziehungen zwischen Juden und Christen belasteten.
Josel von Rosheims Vermächtnis zeigt, dass sein diplomatisches Engagement und seine Verhandlungsstärke entscheidende Faktoren für das Überleben jüdischer Gemeinden im Heiligen Römischen Reich waren.
Die deutsch-jüdische Historikerin Selma Stern (1890-1981) forschte zu Josel von Rosheim und schrieb eine Biografie über ihn. Sie bezeichnete das 16. Jahrhundert, in dem Josel von Rosheim wirkte, als eine der qualvollsten Epochen der Geschichte der Juden in Deutschland. Nach dem Holocaust empfand sie das Wirken Josel von Rosheims in seiner Zeit besonders bedeutsam und zog Parallelen zu ihrer Zeit. Das Buch, mit dem Titel "Josel von Rosheim: Befehlshaber der Judenschaft im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nationen", erschien 1959 in deutscher Sprache.
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