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Houston Stewart Chamberlain

Houston Stewart Chamberlain wird als der Vorreiter des Antisemitismus gehandelt. Historiker sind sich uneinig, ob seine Lehren sogar Hitler beeinflussten. Nachgewiesen ist hier nur, das die beiden sich 1923 in Bayreuth trafen. Hitler erwähnt Houston Stewart Chamberlain in seinem Buch "Mein Kampf" allerdings an lediglich einer Stelle:
"...die offiziellen Stellen der Regierung gingen an den Erkenntnissen eines H. S. Chamberlain genau so gleichgültig vorüber, wie es heute noch geschieht. Diese Leute sind zu dumm, selbst etwas zu denken..."
Die Ähnlichkeit in den Überzeugungen Hitlers und Chamberlain sind allerdings unbestreitbar vorhanden.

Kindheit und Jugend

Houston Stewart Chamberlain wurde am 9. September 1855, in Southsea in England geboren. Nachdem seine Mutter 1856 gestorben war, wuchs er bei seiner Großmutter im Pariser Vorort Versailles auf. Chamberlains Vater, Admiral William Charles Chamberlain, wünschte für seinen Sohn eine Militärkarriere. Mit nur 11 Jahren kam Houston Stewart auf ein Militärinternat. Der Junge jedoch hatte mehr Interesse an Musik, Literatur und Astronomie und verurteilte den Gedanken an eine Offizierslaufbahn in Indien oder in einer anderen englischen Kolonie. Im Alter von nur 14 Jahren ging es dem Schüler zunehmend schlechter und nachdem ein Doktor fälschlicherweise eine Schädigung lebenswichtiger Organe diagnostiziert hatte, besuchte Chamberlain viele Kurorte. Bad Ems, Montreux und Cannes waren Stationen seines Umherirrens. Er wurde von seiner Tante und einem preußischen Privatlehrer begleitet. Otto Kuntze, der dem Jungen Deutsch lehrte, weckte bei ihm das Interesse an deutscher Literatur und Geschichte. Als sein Vater ihn 1874 in der Schweiz besuchte um ihm ein letztes Mal die Militärlaufbahn und ein Studium in England ans Herz legte, hatte sich die Meinung Chamberlains bereits ins Antienglische verkehrt.

Botanik - Studium und Forschung

Chamberlain studierte in Florenz Botanik, doch der Überfluss an Kunst dem Chamberlain in Florenz ausgesetzt war, zeigte seine Wirkung. Immer noch an Kunst übersättigt, zog der Student 1879 nach Genf um dort auf der naturwissenschaftlichen Universität seinen Abschluss zu erhalten. Er zog nach Dresden, wo er sich ursprünglich weiterhin der Botanik verschreiben wollte. Doch als die Ärzte ihm nach einem Rückfall der mysteriösen Nervenkrankheit Bettruhe verordnen, bleibt ihm nur das Studium der deutschen Geschichte, Philosophie und Kultur. 1889 zog er -wieder genesen- nach Wien, wo er sich ebenfalls nur anfänglich den Pflanzen widmete.

Der Schriftsteller Chamberlain

Houston Stewart Chamberlain in 1895

Nachdem er, nach eigenen Angaben von einem Dämon besessen, mit dem Schreiben von Stücken anfing, die er später nicht als seine eigenen empfinden sollte, beschäftigte er sich nun in Wien als freier Schriftsteller. 1896 veröffentlichte er eine zweibändige Monographie zu Richard Wagner, den er Zeit seines Lebens glühend verehrte, und mit dessen Tochter er später eine Ehe eingeht. 1899 erschien sein wichtigstes Werk, „Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts“, welches die germanische „Rasse“ lobpreist und hingegen die anderen Völker (inklusive der Juden) als Hindernisse in der Geschichte darstellt. Diese massive Abgrenzung von Volks- und Kulturgruppen als Rassen, sowie die teilweise ketzerische Judenfeindlichkeit war zu dem Zeitpunkt neu und wird als erster antisemitischer Pflasterstein auf der Straße des Judenhasses verstanden. Aber Chamberlain geht in der Schrift noch weiter, er stellt sich gegen alle kulturellen, religiösen oder politischen Systeme (zum Beispiel die katholische Kirche), mit globalen, nichtarischen Interessen. Unter anderem leugnet er die jüdische Abstammung Jesus', der für ihn nahezu arische Ziele verfolgte. Sein Buch wurde ein Bestseller und hatte, ins Französische und ins Englische übersetzt, prominente Befürworter. Der amerikanische Präsident Theodor Roosevelt zum Beispiel sagte:
„... a man who can write such a really beautiful and solemn appreciation of true Christianity, of true acceptance of Christ's teachings and personality, as Mr. Chamberlain has done, (...) represents an influence to be reckoned with and seriously to be taken into account.“
(deutsch etwa: „... ein Mann, der solch eine wirklich wunderschöne und feierliche Würdigung des wahren Christentums, der Lehre und der Persönlichkeit Jesu, verfassen kann, wie Herr Chamberlain das getan hat (...) repräsentiert einen Einfluss, mit dem man rechnen muss und den man ernsthaft beachten sollte...“)

Der deutsche Kaiser

Deutschlands Kaiser Wilhelm II. lud Chamberlain zu sich nach Potsdam ein. Wilhelm war von dem Engländer begeistert, weil dieser wiederum ein Vorbild an Begeisterung für Deutschland war. Die beiden wurden Freunde und Chamberlain wurde Berater des Kaisers. In einem seiner Briefe riet er dem Kaiser: „Deutschland [...] kann dahin gelangen, die gesamte Erdkugel (teils unmittelbar politisch, teils mittelbar, durch Sprache, Kultur, Methoden) zu beherrschen, wenn es nur gelingt, beizeiten den "neuen Kurs" einzuschlagen, und das heißt, die Nation zum endgültigen Bruch mit den angloamerikanischen Regierungsidealen zu bringen. Die Freiheit, die Deutschland braucht, ist die [...] unbeschränkte Freiheit des Denkens, der Religion, der Wissenschaft — nicht die Freiheit, sich selber schlecht zu regieren.“

Joseph Arthur, Comte de Gobineau

Chamberlains Rassentheorien wurden von Joseph Gobineau beeinflusst, der sich für die Theorie der Überlegenheit der nordischen Rasse stark machte. Unter anderem las Chamberlain Gobineaus Essai sur l'inégalité des races humaines (1853–55) mit Begeisterung. Die Mischung der Rassen, die Arthur Gobineau für weniger problematisch hielt, waren jedoch für Chamberlain, nach Darwins Vorbild charakterschädigend und -vernichtend.

Der Erste Weltkrieg

Nachdem England der Entente beigetreten war, beschuldigte Chamberlain sein Vaterland des Verrates der germanischen Rasse. Er schrieb Propagandaaufsätze für das Deutsche Reich und wurde 1915 für seine Verdienste im Kaiserreich mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. 1916 nahm er die deutsche Staatsbürgerschaft an.

"Arische Weltanschauung"

1905 fasste Chamberlain seine rassistischen Ansichten in der "Arischen Weltanschauung" zusammen, die sich allerdings verstärkt auf die "indoarische Rasse" bezieht. Diese "indoarische Rasse" ist seiner Meinung nach die Urrasse und hat deshalb auch den Anspruch auf Herrschaft über all die Anderen. In der 92 Seiten umfassenden Niederschrift behandelt Chamberlain Themen wie den Begriff des Humanismus, den historischer Überblick, die Bedeutung des arischen Denkens für seine Gegenwart, die Eigenschaften des arischen Denkens, die Rassenreinheit und so weiter.

"Ideal und Macht"

In der 1916 veröffentlichten Schrift "Ideal und Macht" bricht Chamberlain mit England und bekennt sich endgültig zu Deutschland. Während er England den Untergang des Kolonialimperiums ankündigt, sieht er Deutschland auf den Weg zur alleinigen Weltmacht. Er beschreibt seine Begeisterung für die deutsche Kultur und zeigt anhand von Goethe, Wagner und anderen Berühmtheiten die Überlegenheit und Unantastbarkeit der gesamten "arisch-germanischen Rasse" auf.

verfasst von: Jan V.
Wahlgrundkurs „Jüdische Geschichte und Kultur“ 2002/2003