Quellentext
Über die bürgerliche Verbesserung der Juden
Auszug aus einer Denkschrift
Diesem Unglücklichen also, der kein Vaterland hat, dessen Thätigkeiten allenthalben beschränkt ist, der nirgends seine Talente frey äussern kann, an dessen Tugend nicht geglaubt wird, für den es fast keine Ehre gibt; - ihm bleibt kein andrer Weg des vergünstigten Daseyns zu geniessen, sich zu nähren, als der Handel. Aber auch dieser ist durch die vielen Einschränkungen und Abgaben erschwert, und nur wenige dieser Nation haben so viel Vermögen, daß sie einen Handel im Grossen unternehmen können. Sie sind also meistens auf einen sehr kleinen Detailhandel eingeschränkt, bey dem nur die öftere Wiederholung kleiner Gewinne hinreichen kann, ein dürftiges Leben zu erhalten; oder sie werden gezwungen, ihr Geld, das sie selbst nicht benutzen können, an andere zu verleihen. Aber auf wie mannichfache Art ist nicht auch dieser einzige ihnen noch übrig gelassene Erwerb fast in allen Landen beschränkt ...
Der Jude ist noch mehr Mensch als Jude, und wie wäre es möglich, daß er einen Staat nicht lieben sollte, in dem er ein freyes Eigenthum erwerben, und desselben frey geniessen könnte, wo seine Abgaben nicht grösser als die andrer Bürger wären, und wo auch von ihm Ehre und Achtung erworben werden könnte ? Warum sollte er Menschen hassen, die keine kränkende Vorrechte mehr von ihm scheiden, mit denen er gleiche Rechte und gleiche Pflichten hätte ? Die Neuheit dieses Glücks und leider ! die Wahrscheinlichkeit, daß man es ihm noch nicht so bald in allen Staaten bewilligen werde, würde es dem Juden nur desto kostbarer machen, und schon die Dankbarkeit müßte ihn zum patriotischen Bürger bilden. Er würde das Vaterland mit der Zärtlichkeit eines bisher verkannten und nur nach langer Verbannung in die kindlichen Rechte eingesetzten Sohns ansehen...
Christian Wilhelm Dohm, Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, Berlin und Stettin 1781. S. 7ff.