Jüdische Kaufhäuser

Nachdem die Juden über Jahrhunderte nur in wenigen Berufszweigen wie Geldverleih und Handel tätig sein konnten, erlebte die jüdische Wirtschaftstätigkeit in den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts einen Aufschwung. Dieser war vor allem dem wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands und dem Eintritt in die Weltwirtschaft zu verdanken.

Um die Jahrhundertwende erfuhren die jüdischen Unternehmen eine stürmische wirtschaftliche Entwicklung. Weiterhin führten der langsame Anstieg des Wohlstandes und der steigende Lebensstandard zu einem erhöhten Bedarf. Die Konsumenten verlangten sowohl nach mehr, als auch nach neuartigen Waren. Nicht alle diese Waren konnten auf Märkten, Messen oder in einfachen kleinen Geschäften erworben werden. Um den Bedarf an diesen Waren trotzdem zu decken, entwickelte man ein neues Konzept. Als eine neue, konkurrenzfähige Geschäftsform entwickelte sich das Warenhaus.

Obwohl das Konzept des Warenhauses in Frankreich und den USA von Nichtjuden entwickelt wurde, waren es in Deutschland besonders Juden, die auf diesem Gebiet Fuß fassten. Die hohe Zahl der Juden, die im Handel ihr Glück versuchten, lässt sich durch die Herausbildung einer bedeutenden Tradition auf diesem Gebiet, sowie im Geldverleih, erklären. Zu den erfolgreichsten jüdischen Unternehmern zählten unter anderem die Familien Tietz, Israel, Wertheim und Gerson, sowie Salman Schocken.

Kaufhaus Tietz

Die Kaufhauskette Tietz AG wurde von den Brüdern Hermann (1837-1907) und Oskar Tietz (1858-1932) mit Hilfe von Familienkapital gegründet. Die Brüder, die schon Erfahrung in New York und Paris gesammelt hatten und bereits seit 1882 ein Weißwarengeschäft in Gera besaßen, eröffneten 1895 die erste Filiale der Tietz AG in München. Dieser folgten weitere in Köln und Berlin.

Bereits als Leonard Tietz (1883-1941), ein gelernter Kaufmann, Prokurist der Tietz AG wurde, hatte diese ihren Hauptsitz in Köln. Im Alter von 27 Jahren wurde Alfred Leonard Tietz Vorstandsmitglied der nun unter dem Namen Leonard Tietz AG bekannten Kaufhauskette. Neben dem Direktorat der Tietz AG, das er im Jahre 1933 übernommen hatte, war Leonard Tietz außerdem Vorstandsmitglied des jüdischen Waisenhauses und des jüdischen Krankenhauses in Köln. Weiterhin war er als Mitglied des "Deutschen Industrie- und Handelstages" tätig.

Schocken-Konzern

Salman Schocken
Salman Schocken 1877-1959

Der Schocken-Konzern wurde von Salman Schocken, der 1877 geboren wurde, gegründet. Gemeinsam mit seinen Brüdern Simon und Julius gelang ihm der Aufbau dieses großen Warenhauskonzerns. Seine Führungsrolle auf diesem Gebiet hat er nicht zuletzt der Modernität seiner Kaufhäuser zu verdanken. Das Kaufhaus Schocken in Chemnitz, das der berühmte Architekt Erich Mendelssohn 1930 entworfen hatte, war eines der modernsten seiner Zeit. Bis zu dem Tod Salman Schockens Tod 1959 zählte sein Konzern bereits 6000 Filialen, unter anderem in Sachsen und Süddeutschland. Allen Mitarbeitern und Lehrlingen des Schocken-Konzerns standen außerdem zahlreiche soziale Einrichtungen zur Verfügung:

Als sogenanntes "Jüdisches Kaufhaus" fiel die Leonard Tietz AG als eine der ersten jüdischen Gesellschaften der Enteignung und Zwangsarisierung durch die Nationalsozialisten zum Opfer. Bereits ein Jahr später im September 1934 mussten die letzten jüdischen Aufsichtsratmitglieder, der nun in "Westdeutsche Kaufhaus AG" umbenannten Gesellschaft, ihr Mandat niederlegen.
Leonard Tietz gelang die Flucht ins Ausland. Zunächst ging er nach Holland und später nach Jerusalem, wo er 1941 im Alter von 58 Jahren starb.
Wie viele jüdische Firmen wurde auch die Leonard Tietz AG von einer deutschen Großbank übernommen und trägt heute den Namen Kaufhof.

Kaufhaus Schocken
Kaufhaus Schocken in Chemnitz (30er Jahre)

Den Angestellten des Konzerns standen beispielsweise 2 Urlaubstage mehr zu, als der Tarif vorsah. Während des Urlaubs erhielten sie die ersten 12 Tage zusätzlich 3,50 Reichsmark. Die Einrichtung eines Ferienheims, des Rautenkranz/V., bot zahlreichen Angestellten ein preiswertes Urlaubsquartier.

Der Schocken-Konzern versorgte außerdem unterernährte und geschwächte Lehrlinge und Arbeiter mit Frei-Abgaben von Verpflegung und Milch. Bei Bedarf wurden auch Kakao und Mittagessen kostenlos zur Verfügung gestellt.

In den größeren Zweigstellen des Konzerns gab es die sogenannten Betriebspflegerinnen. Ihre Aufgabe war es die Angestellten vor allem in hygienischen und gesundheitlichen Angelegenheiten zu betreuen. Im Laufe ihrer Arbeit wurden dann entsprechende Maßnahmen und Entschlüsse von der Geschäftsführung eingeführt. Zur Förderung des kulturellen Interesses der Mitarbeiter erhielten diese vergünstigte Eintritte für Konzertveranstaltungen und Konzerte.

Durch spezielle Instrukteurinnen wurde die Weiterbildung der jüngeren Angestellten gewährleistet. Die Mitarbeiter wurden in Kursen mit der Organisation des Schocken-Konzerns vertraut gemacht.

Für länger beschäftigte Angestellte wurde eine spezielle Pensionskasse eingerichtet. Diese soll den Mitarbeitern und ihren Angehörigen eine finanzielle Absicherung bei Erwerbsunfähigkeit und im Todesfall bieten.

verfasst von. Katrin G.
Wahlgrundkurs „Jüdische Geschichte und Kultur“ 2000/2001