Raoul Wallenberg

Uno-Generalsekretär Kofi Annan, 1998

"Warum gab es so wenige Wallenbergs? Das Andenken an ihn sollte ein Ansporn sein für andere, ebenfalls zu handeln, für künftige Generationen, für uns alle."

Raoul Wallenberg / Public domain

Raoul Wallenberg wurde am 4. August 1912 in Stockholm geboren. Er stammte aus einer Familie von Bankiers, Diplomaten und Offizieren. Sein Vater war Offizier bei der schwedischen Marine und starb drei Monate vor der Geburt des Sohnes. Wallenbergs Mutter May heiratete 1918 Frederik von Dardell. Raouls Großvater Gustaf Wallenberg, Diplomat in Japan, China und der Türkei, unterstütze die Mutter tatkräftig bei der Erziehung ihres Sohnes.

Von 1931 bis 1935 studierte Raoul Wallenberg in den Vereinigten Staaten Architektur, wurde aber auf Wunsch seines Großvaters im Bankwesen und dem internationalen Handel tätig, wodurch er 1936 zu einem sechsmonatigen Aufenthalt nach Haifi kam. Dort begann er eine Banklehre bei der Holland Bank. Sein Großvater wollte, dass er der Familientradition entsprechend Bankier wird, da Familie Wallenberg Schwedens bekannteste Bankiersfamilie ist. Raoul merkte aber früh, dass dies nicht das Richtige für ihn war. "Ich bin vielleicht überhaupt nicht für das Bankwesen geeignet", schrieb er seinem Großvater. "Ich glaube, meinem Charakter entspricht eine positive Einstellung zum Leben eher, als hinter einem Schreibtisch zu sitzen und "nein" zu den Leuten zu sagen."

Raoul Wallenberg stieg dann in Schweden in den Delikatessenhandel ein. Dank seines Kompagnons Kálmán Lauer, einem gebürtigen Ungarn, konnte er schnell Erfolge verzeichnen. Nach der deutschen Besetzung Ungarns, am 19. März 1944, wurden über 400 000 Juden nach Auschwitz deportiert; 200 000 waren in Budapest zurückgeblieben. Unter ihnen befanden sich auch jüdische Verwandte Lauers für die er nach Beistand suchte. Auch Wallenbergs Stockholmer Büronachbar Iver Olsen suchte nach einem jungen Mann, der ungarischen Juden helfen sollte. Olsen empfahl Wallenberg beim amerikanischen Flüchtlingskomitee "war refugee board", welches ihn mit 150000 Dollar ausstattete und nach Budapest brachte. Wallenberg versorgte dort die zurückgebliebenen Juden mit Lebensmitteln und brachte sie, wenn nötig in Krankenhäusern unter.

Er wurde Mitarbeiter in einer von der schwedischen Gesandtschaft gegründeten Hilfsorganisation, die begonnen hatte Schutzpässe an Juden zu verteilen, die Auslandskontakte andeuten konnten. Die Pässe waren ein wirksamer Schutz für die Juden, der sie sogar vom Tragen des Judensterns befreite und sie von der Zwangsarbeit erlöste. Wallenberg bekam eine eigene Abteilung und mietete ein Büro mit 16 Zimmern. Er richtete eine "Humanitäre Abteilung" ein, in der er anfangs 12, am Ende 340 Angestellte beschäftigte, hauptsächlich Juden die dadurch geschützt waren. Vom Staatschef Horthy erhielt er die Erlaubnis Sammelpässe und 800 Papiere mit folgendem Text zu vergeben: "Die kgl. Schwedische Gesandtschaft in Budapest bestätigt, dass der Obengenannte im Rahmen der - von dem Kgl. Schwedischen Außenministerium autorisierten - Repatriierung nach Schweden reisen wird. Der Betreffende ist auch in einem Kollektivpass eingetragen. Bis Abreise stehen der Obengenannte und seine Wohnung unter dem Schutz der Kgl. Schwedischen Gesandtschaft in Budapest." Zusätzlich ließ Wallberg noch weitere 2000 solcher Formulare herstellen.

Raoul Wallenberg Schutzpass 29. September 1944 für Josefa Frankel, geborene Tauszig unterschrieben von sv:Ivan Danielsson, links unten paraphiert von Wallenberg

Als Eichmann die Todesmärsche Tausender Juden zur österreichischen Grenze organisierte, begleitete Wallenberg den Konvoi. Er setzte die Freilassung Hunderter Inhaber schwedischer Pässe durch und brachte sie nach Budapest zurück. Es gelang ihm sogar, Menschen aus den Zügen nach Auschwitz zu holen oder sie vom Arbeitsdienst zu befreien.

Die Juden waren auch den Morddrohungen der Pfeilkreuzer ausgesetzt. Nach dem Staatsstreich vom 15. Oktober 1944 und der Machtübernahme der antisemitischen faschistischen Pfeilkreuzer-Partei waren die Juden von deren Mordaktionen bedroht. Wallenberg richtete deshalb Herbergen ein die 15 000 Personen unterbringen konnten. Es gab 31 geschützte Häuser, die zusammen das "internationale Ghetto" bildeten, eine eigene Welt, abgelegen vom Hauptghetto Budapests. Die Betreuung dieser Häuser war sehr schwierig und vor allem teuer. Es musste für ausreichend Lebensmittel und für sanitäre und hygienische Einrichtungen gesorgt werden. Zur Verwaltung und Instandhaltung dieser Häuser waren 600 Juden angestellt.

Das "internationale Ghetto und das Hauptghetto lagen in Pest, dem Teil, der als erster von der Roten Armee besetzt wurde. Wallenberg versuchte mit Sowjets zu verhandeln und bemühte sich um eine angemessene Versorgung der befreiten Juden. Die Sowjets waren gegenüber der schwedischen Vertretung sehr misstrauisch und verdächtigten ihre Mitarbeiter der Spionage für die Deutschen. Bedenklich fanden sie auch die große Zahl der sich in Umlauf befindenden schwedischen Dokumente. Wallenberg machte sich deshalb auf in das Hauptquartier nach Debrecen. Zuvor fuhr er noch in Begleitung zweier sowjetischer Soldaten in sein Zweitbüro. Er äußerte, dass er nicht wisse, ob er Gast oder Gefangener der Sowjets sei. Danach verlor sich jede Spur von ihm und seinem Fahrer.

Denkmal für Raoul Wallenberg, Tel-Aviv, Israel

Was war mit Raoul Wallenberg geschehen? Starb er an einem Herzinfarkt? Wurde er 1947 in der Lubjanka erschossen? Sah man ihn Mitte der Achtziger in einer psychiatrischen Anstalt? Lebt der 89jährige noch? Fakten und Fiktion vermischen sich.
Im Januar 2001 legte die schwedisch-russische Kommission neue Berichte vor: "Wir haben kein endgültiges Ergebnis", äußerte sich der schwedische Kommissionsvorsitzende Hans Magnusson. Man war nach dem 37seitigen Bericht zu dem Schluss gekommen, Wallenberg sei am 17. Juli 1947 in der Lubjanka verstorben. Ungeklärt bleibe allerdings, ob durch Herzversagen, Erschießen oder Gift.

Das Engagement Raoul Wallenbergs ist weltweit unvergessen. Er ist Ehrenbürger in den USA, Kanada und Israel. 1995 wurde ihm der Menschenrechtspreis des Europarates verliehen; Straßen, Plätze und Schulen tragen seinen Namen. Er rettete über 100 000 ungarische Juden vor dem sicheren Tod. Immer wieder griff er ein, wenn Juden verhaftet und verschleppt werden sollten. Sein Handeln gehört zu den außergewöhnlichsten Heldentaten des zwanzigsten Jahrhunderts.

Foto: Dardasavta (?) / CC BY-SA

verfasst von Karoline L.
Wahlgrundkurs „Jüdische Geschichte und Kultur“ 2001/2002